Freitag, 9. November 2007

9. November 1989

Gerade läuft auf Vox eine Spiegel TV Reportage über die brissante Zeit um 1989 im noch getrennten Deutschland. Ich selbst habe diese Zeit schon als anders als sonst wahrgenommen aber als 10-jähriger Knopf ahnte ich überhaupt nichts von den bald folgenden Erneuerungen. In der "Aktuellen Kamera" hielt ich die Massen auf den Straßen, wie sie alle "Freiheit" oder "Wir sind das Volk" riefen und die Menschen, die Zuflucht in den Botschaften in Ungarn und Co. suchten, für völlig verrückt. Genauer gesagt wusste ich gar nicht was das alles überhaupt soll.
Am 9. November 1989 feierte ich den 10. Geburtstag meiner Freundin und sogleich klappte das Catering durch ihre Eltern an diesem Tag überhaupt nicht, da sie gebannt vor dem Fernseher saßen. Irgendwas war da anders! Das "irgendwas" realisierte ich als Kind bis jetzt hinein. Den wahrscheinlichen Fauxpas des zerstreuten Günter Schabowski habe ich erst Jahre später kapiert. Das totale Ausflippen der DDR-Bürger kapiere ich teilweise jetzt immer noch nicht. Damals interessierten wir uns haupsächlich fürs Spielen und Rumkaspern.
Tja, nun blicke ich auf die letzten 18 Jahre zurück. Gefühle die ich so leicht nicht in Worte fassen kann. Einerseits die Ehre 10 Jahre in dieser Zeit gelebt und gefühlt zu haben, andererseits die rückblickende Irritiertheit was man als Kind kommentarlos "mitgemacht" hat. All diese Sachen gehören zu meiner Kindheit, welche ich sehr genossen habe. Plötzlich reist man an einem Samstag mit tausenden anderen DDR-Bürgern mit Trabbi sowie S-Bahnen nach Westberlin und traut seinen Augen nicht. Man hielt seine Ausweise hin und erhielt pro Nase 100 DM, die man an diesem Tag auf dem Kopf hauen konnte. Als 10-jährige hatte dieser Tag auch etwas zwiespältiges. Einerseits gab es Lustige Taschenbücher, tolle Schokolade und poliertes Obst, andererseits bekam ich für meinen Anteil des Begrüßungsgeldes einen kaputten roten Walkman. Ein Tag von völliger Wahnsinn und zugleich Entäuschung!
Mit der Zeit des Erwachsenwerdens habe ich vom neuen Deutschland größtenteils profitiert aber dennoch ein Stück Heimat im Herzen verloren.

Heute wohne ich in Westberlin und bekomme Leckermäulchen, Spreewaldgurken, Nudossi oder ähnliches in jedem Supermarkt. In München habe ich solche Sachen sehr vermisst. Meine Familie erreiche ich innerhalb von einer- bis zweistündigen Anfahrt. Als Zonenkind in einem Deutschland zu leben ist toll aber in winzigen Momenten auch irritierend und mit Wut belegt. Altpapier sammeln ist nicht mehr, aber das waren großartige Nachmittage, an denen wir die Nachbarn genervt haben. Ich bin froh Dinge wie diese erlebt zu haben. Ich bin ein Zonenkind. Das kann mir keiner nehmen. Ein Deutschland reicht aus und vielleicht fallen die Mauern in vielen Köpfen der Bevölkerung, zugegeben ein schwieriger Prozess aber nicht unmöglich. Steht in meinem Kopf noch eine Mauer? Ich würde sagen "Nein" aber in meinem Herzen habe ich kleine Mauerstückchen für mich zurückbehalten.

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